Filmvorführung: Carl Orffs »Griechische Tetralogie« — Ein Experiment (Teil I und II)

Newsletter vom 16.07.2025

Sehr geehrte Damen Herren,

zu Orffs 130. Geburtstag wagt das Orff-Zentrum ein besonderes Experiment: die erstmalige Präsentation seiner »Griechischen Tetralogie« — so nachträglich von mir benannt in Anlehnung an die Festaufführungen von jeweils vier zusammenhängenden Theaterstücken im Athen des 5. Jahrhunderts vor Christus. Orffs erklärte Hauptwerke sind die griechischen Tragödien Antigonae, Oedipus der Tyrann und Prometheus. Ziel des Komponisten war keine Rekonstruktion des antiken Dramas, sondern gemäß seinen eigenen Worten eine »Interpretation [...] mit zeitgenössischen musikalischen Mitteln«. Anders als Wagner und noch über Strauss′ Elektra hinausgehend vollzog der Komponist damit — nicht von ungefähr erst nach dem Erlebnis gleich zweier verheerender Weltkriege — den entscheidenden Schritt zur originalen (ungekürzten, nicht bearbeiteten) griechischen Tragödie, für die er einen gänzlich neuen Kompositionsstil und eine vollkommen andere Orchesterbesetzung kreierte. Bringt man die drei Tragödien zusammen mit seinem letzten Werk De temporum fine comoedia (1973/81) in die »richtige« Reihenfolge, so entsteht ein gewaltiger thematischer und gedanklicher Spannungsbogen, der sich von den Anfängen der Menschheit bis zur Vision des Endes der Zeiten erstreckt und — unterstützt durch engste musikalische Bezüge — den gesamten Zyklus zu einer Einheit formt. Im Mittelpunkt dieser Tetralogie stehen das Verhältnis von Gott und Mensch; die Frage nach dem Ursprung des Bösen und allen Leids, das die Menschen sich gegenseitig antun; der Umbruch von einer alten zu einer neuen Weltordnung, ausgelöst durch eine menschliche Tat (Antigonae: »Zum Hasse nicht, zur Liebe bin ich«); im Zusammenhang damit die Wandlung von einem strafenden Gott zu einem Gott, der zuletzt alles von ihm Geschaffene wieder in sich auf- und zurücknimmt; und schließlich die Lösung aller Fragen am Ende der Zeiten. 
Das Orff-Zentrum präsentiert die vier Werke als Filmvorführungen (mit Untertiteln) an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Damit soll es dem Publikum ermöglicht werden, die gedanklichen und musikalischen Zusammenhänge direkt zu erleben und nachzuvollziehen. Der Eindruck eines in sich abgerundeten Zyklus’ kann sich allerdings nur nach dem Besuch der Veranstaltungen an beiden Tagen einstellen — alle Interessierten sind herzlich dazu eingeladen (Kombiticket für zwei Tage: 13 Euro statt 20 Euro)! In kurzen Einführungen werden die hier nur angedeuteten Zusammenhänge näher erläutert. Drei der vier Werke wurden zudem vom gleichen Regisseur (John Dew) am gleichen Haus (Staatstheater Darmstadt) inszeniert, sodass sich durchaus der Eindruck einer gewissen stilistischen Einheitlichkeit einstellt (Oedipus und Antigonae 2006, De temporum fine comoedia 2010). Im Fall des Prometheus bot sich allein die Inszenierung des Münchner Marionettentheaters an, die noch von Carl Orff selbst ausdrücklich gelobt wurde (1981). Der interne Mitschnitt des Marionettentheaters aus dem Jahr 2000 wurde im Auftrag des Orff-Zentrums in Bild und Ton restauriert und mit Untertiteln versehen; der Mitschnitt von De temporum fine comoedia wird hiermit erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Dr. Thomas Rösch
Direktor Orff-Zentrum München

Carl Orff, Athen 1957

Carl Orff, Athen 1957 (© Carl-Orff-Stiftung/Archiv: Orff-Zentrum München)

Freitag, 25. Juli 2025, 17 Uhr
Filmvorführung
Carl Orffs »Griechische Tetralogie« — Ein Experiment (Teil I)

17:00    Einführung Dr. Thomas Rösch
17:30    Carl Orff (1895–1982): Prometheus (1968) 
             Tragödie des Aischylos in der altgriechischen Originalsprache

Inszenierung des Münchner Marionettentheaters (1981/2000)
Regie: Franz Leonhard Schadt | Dramaturgische Bearbeitung: Elga Blumhoff-Schadt | Bühnenbild: Elmar Albrecht | Ensemble des Münchner Marionettentheaters

Unter Verwendung der folgenden Einspielung (1972) von Orffs Prometheus

Musikalische Leitung: Ferdinand Leitner | Prometheus: Roland Hermann | Kratos: Josef Greindl | Hephaistos: Heinz Cramer | Okeanos: Kieth Engen | Io Inachis: Colette Lorand | Hermes: Fritz Uhl | Chorführerinnen: Edda Moser, Sophia van Sante, Raili Kostia | Chor der Okeaniden: Frauenchor des Westdeutschen Rundfunks | Chordirektor: Herbert Schernus 

Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester

Bild- und Tonrestauration sowie Untertitel: B.O.A. VIDEOFILMKUNST München Produktion, Leitung: Peider A. Defilla (2025)

19:15    Pause
19:45    Carl Orff: Oedipus der Tyrann (1959) 
             Tragödie des Sophokles in der Übertragung von Friedrich Hölderlin (1804)

Musikalische Leitung: Stefan Blunier | Inszenierung: John Dew | Bühnenbild: Heinz Balthes | Kostüme: José Manuel Vázquez | Choreinstudierung: André Weiss

Oedipus: Norbert Schmittberg | Ein Priester: Dimitry Ivashchenko | Kreon: Andreas Daum | Chorführer: Markus Durst, Oleksandr Prytolyuk | Tiresias: Mark Adler | Jokasta: Yamina Maamar | Ein Bote aus Korinth: Stefan Umhey | Ein Hirte des Lajos: Hans-Joachim Porcher 

Staatsorchester Darmstadt | Herrenchor des Staatstheaters Darmstadt | Statisterie des Staatstheaters Darmstadt

Eine B.O.A. VIDEOFILMKUNST München Produktion, Regie: Peider A. Defilla (2010) I Label: WERGO

__________________________________

Samstag, 26. Juli 2025, 16 Uhr
Filmvorführung
Carl Orffs »Griechische Tetralogie« — Ein Experiment (Teil II)

16:00    Einführung Dr. Thomas Rösch
16:30    Carl Orff (1895-1982): Antigonae (1949) 
             Tragödie des Sophokles in der Übertragung von F. Hölderlin (1804)

Musikalische Leitung: Stefan Blunier | Inszenierung: John Dew | Bühnenbild: Heinz Balthes | Kostüme: José Manuel Vázquez | Choreinstudierung: André Weiss

Antigonae: Katrin Gerstenberger | Ismene: Anja Vincken | Chorführer: Oleksandr Prytolyuk | Kreon: Andreas Daum | Wächter: Markus Durst, Jeffrey Treganza | Hämon: Sven Ehrke | Tiresias: Mark Adler | Ein Bote: Thomas Mehnert | Eurydice: Susanne Serfling 

Staatsorchester Darmstadt | Herrenchor des Staatstheaters Darmstadt | Statisterie des Staatstheaters Darmstadt

Eine B.O.A. VIDEOFILMKUNST München Produktion, Regie: Peider A. Defilla (2010) I Label: WERGO

18:50    Pause
19:20    Carl Orff: De temporum fine comoedia (1973/81) 
             Das Spiel vom Ende der Zeiten — Vigilia

Musikalische Leitung: Constantin Trinks | Inszenierung: John Dew | Bühne: Heinz Balthes | Kostüme: José Manuel Vázquez | Choreographische Mitarbeit: Mei Hong Lin | Choreinstudierung: André Weiss

Die Sibyllen: Susanne Serfling, Katrin Gerstenberger, Anja Vincken, Aki Hashimoto, Niina Keitel, Gundula Schulte, Margaret Rose Koenn, Yun Jeong Cho, Elisabeth Hornung | Die Anachoreten: Lucian Krasznec, Sven Ehrke, Jeffrey Treganza, Oleksandr Prytolyuk, David Pichlmaier, Malte Godglück, Andreas Daum, John In Eichen, Thomas Mehnert | Die letzten Menschen | Der Chorführer: John In Eichen, Thomas Mehnert | Lucifer: Andreas Daum | Alt-Solo: Elisabeth Hornung | Tenor-Solo: Lucian Krasznec

Chor und Extrachor des Staatstheaters Darmstadt | Chor des Musikvereins Darmstadt e. V. | Kinderchor des Staatstheaters Darmstadt | Statisterie des Staatstheaters Darmstadt | Staatsorchester Darmstadt

Eine B.O.A. VIDEOFILMKUNST München Produktion, Regie: Peider A. Defilla (2024)

Orff-Zentrum München
Kaulbachstraße 16
D-80539 München
Tel: +49 89 288 105 0 
kontakt@orff-zentrum.de

Eintritt: 10 Euro
Kombiticket für Freitag und Samstag: 13 Euro
Abendkasse eine Stunde vor Beginn der Veranstaltung
Um Voranmeldung wird gebeten
Telefon (089) 28 81 05-0 
veranstaltung@orff-zentrum.de